Darlo

Raum (VÖ: 8.11.2004)

Kann man nicht! Will man nicht?

Darlo sounds like: kritische Gedankenspirale.

„Darlo“ – das ist italienisch und fordert, etwas zu bekommen: „Gib es her“ lässt sich das ungefähr übersetzen. Und das auch noch in Tagen, in denen man ohnehin vor allem geben soll, tun soll, machen soll. In denen abgebaut wird: „Wenn man um uns alles abbaut. Bauen wir uns auf. Und bauen wir auf euch.“ 

Darlo jedenfalls will etwas von Dir, spricht Dich direkt an, auch wenn die Band nach einer Bar in Sydney benannt ist – und nicht nach einem italienischen Imperativ. Und wenn Daniel Riedl, der Sänger, sagt, die Themen gingen nur auf deutsch, dann stimmt das wie bei kaum einer anderen Band hier. Es geht um Unmittelbarkeit und um das Abenteuer der Ehrlichkeit. Keine Angst, nicht die schmierige Deutschrock-Ehrlichkeit, die zusammenhält, auf maximalen Konsens setzt, sondern die Ehrlichkeit, die (Max Frisch hat das geschrieben) Einsamkeit bedeutet. Doch wenn Einsame Musik machen, dann muss das nicht beschaulich klingen. Nicht nach innen tönen, sondern hinaus: in die Welt. Der Wüstenrocker Steve Wynn hat einmal gesagt, wenn Musik sexy sein will, dann muss der Sound nach Abenteuer riechen. 

Darlo riecht nach Abenteuer, doch sicher anders als Steve Wynn das gemeint hat. Nicht nach Wüste oder Lagerfeuer, nicht nach dem Vier-Jungs-die-rocken-Abenteuerspielplatz. Wenn Daniel Riedl in manchen Momenten sein Mikrofon eher anspuckt als zu singen, wenn sich Hysterie, Tumult und die glitzernde Schönheit des Scheiterns (nenn es „Glamour“, wenn Du willst) mischen, wenn sich Euphorie mit trotziger Verweigerung trifft – dann gibt uns Darlo ganz, ganz viel: Momente, in denen das Leben in nur wenigen Minuten komprimiert erscheint, alle Gefühle intensiviert wie eine superscharfe Sauce, die einem den Atem raubt und die Wangen rötet. Auf die selbstgestellte Frage „Muß man aufhören, einsehen und mitgeh’n?“ antworten Darlo: „Kann man nicht, will man nicht, muß man nicht, kann man nicht“. Sie antworten, die Antwort klingt trotzig und doch auch wie eine Gegenfrage: Will man nicht? Darlo wissen und erzählen davon, wie schwer es ist, nicht mitzugehen. Ihr Denken, und das ist noch besser als jede dieser magnetischen Haudrauf-Gitarren, kreist um sich selbst. Darlo sounds like: zwei Jahrzehnte Indierock in der kritischen Gedankenspirale. „Du kennst es doch das Spiel – don’t ask me how I feel.“ Auch wenn’s pathetisch klingt: Darlo schöpfen aus der Kraft der Negation. Doch das Scheitern, das Verzweifeln, die Angst, das alles kann so wunderbar groß sein: The Fall, Gun Club, Fehlfarben was auch immer: der Herzschlag der schönsten Musik war nie stetig, sondern hektisch, angsterfüllt, panisch, hysterisch oder einfach viel zu schnell. (Mal abgesehen von zwei, drei Liedermachern wie Jonathan Richman, die uns auch mit heimeliger Schönheit glücklich machen können.)

Darlo tut weh, wenn man es zulässt. Und wenn es schmerzt und sticht, dann geht es um was. Es geht um Liebe, Verzweiflung und Unsicherheit, es geht um die subkulturelle Geborgenheit in autonomen Jugendzentren in Kleinstädten. „Hier ist ein Raum, der uns gehört! Dieser Raum wird ausgedehnt, JA!“ Es geht also, endlich mal wieder, um alles. Darlo ist, wie Markus Göres von Rewika Records meinte, „ein Rettungsanker gegen die Realität“. Oder anders: Das ist ein Raum, der Dir gehört. Unmittelbarkeit statt Stil, jetzt aber Leinen los. „Wir haben bloß Langeweile zu verlieren.“

(Nachtrag: Noch ein wenig Biografie: Die beteiligten Musiker sind nicht unbekannt – Daniel Riedl und Tobias Reinbacher etwa kennt man von den Wiesbadener Bands Rekord und Tobacco, Gunther Buskies als Gründer des Tapete-Labels und Matthias Grosz als Gitarrist von Like A Stuntman.)