Erdmöbel

Für die nicht wissen wie (VÖ: 05.09.2005)

Der erste Song ist einer der besten Plattenöffner der Welt. Reißt die Türen so weit auf und heißt wie das ganze Album: „Für die nicht wissen wie“. Du wirst nicht klug aus dem, was dir da energisch ins Herz gespielt wird, aber dich reißt es mit und du spürst: du bist gemeint. Dieses Cover. Du fängst an, dich selbst auf diesem Gruppenfoto zu suchen. Aber dann gehen gleich die anderen Sachen los. Au Pair Girl: eine Postkarte mit Seeblick, auf der steht, wie das ist, wenn du mit Haut und Haar gerade nichts zu tun hast. Und schon in Song drei wünschst du dir mit Markus Berges ein „Lied über gar nichts“ und der Chor stimmt ein und es ist, als wünsche sich mit euch die ganze Welt nichts sehnlicher. So geht das weiter. Jedes Lied deine neue Welt. 

Mit „Für die nicht wissen wieì übertreffen sich Erdmöbel nach „Altes Gasthaus Love“, ihrem Leichtigkeitsklassiker von 2003, noch ein Mal selbst. Ihren glücklich machenden Leichtsinn haben sie dabei nicht verloren, nur arbeiten Sie hier daran mit neuer Energie und Sehnsucht und auch einer Unversöhnlichkeit, die das Schweben in eine einzigartige Spannung bringen. „Am Arsch, Welt, kannst du mich kaputtschlagen“ hätte das Album heißen können, wäre Ihnen nicht ein noch grandioserer Titelsong eingefallen. 

Mehr noch als sonst bei Erdmöbel geht es auf „für die nicht wissen wie“ um Nichtigkeiten. Essen, Trinken, Schlafen, Lieben, die Blicke und die Sekunden dazwischen. Dem verschreiben sich Sänger und Band mit solcher Hingabe und musikalischer Energie, dass etwas Großes entsteht. Schwer zu sagen. Aber: Was schwer zu sagen ist, Erdmöbel sagen es. Mit Musik.

„Für die nicht wissen wie“ ist aufwändig und raffiniert instrumentiert, dabei völlig entspannt gespielt. Ekimas produziert einen berückenden eigenen Sound, gespickt mit Zitaten aus der ganzen verdammten Popmusikgeschichte (Mellotron, Vocoder, Beat-Box und immer wieder Gitarre, Klavier, Beatles-Bass, Schlagzeug, Posaune). Viele glatte Oberflächen, viele Sprödigkeiten und Ungewohntes in der Tiefe dahinter.

Direkt beziehen sich Erdmöbel auf ihrem neuen Album auf Easy Listening der 60er. Die Band huldigt den beiden Großen des Genres Burt Bacharach und Henry Mancini mit Coverversionen. Dabei werden die wunderbaren Songs geputzt, dass Sie strahlen, und so bittersüß ins Deutsche übertragen, dass man sich fast wünschte, die Kopie wäre das Original.

Auf allen Kanälen die elenden Mega-Events der Gefühle. Diesem Album aber geht es um die Musik unseres Alltags. In Romantik, Depression, Ratlosigkeit, Liebe, Begeisterung, Zusammengehörigkeit, Verwunderung, Bewunderung. Um das, was das Leben in den St‰dten an Bergen und Tälern zu bieten hat. Die üblichen Metaphern wie „Tanz auf dünnem Eis“ hat Markus Berges dabei nicht nötig. Stattdessen rasen Erdmöbel mit ihren Hörern auf einem echten Davos-Schlitten eine unendliche Piste hinunter. Immer schneller.