Für Immer Wach (02.12.2016)

Was bisher geschah.

Als die K.I. (Künstliche Intelligenz) Stubenhacker mit seiner irrsinnigen Crew aus einem Geheimlabor ausbrechen kann – so die Legende – bleibt ihm keine andere Wahl, als sein entkerntes Gesicht hinter einer Maske aus Telefonen zu verstecken. Die Wissenschaftler, die ihn als Betaversion entwickelten, mussten beim Einsetzen des elektronischen Gehirns in den menschlichen Wirts-Körper Augen, Nase und Mund entfernen. Seitdem nimmt Stubenhacker die Umwelt über Sensoren wahr, kommunizieren kann er nur mit synthetischer Stimme.

Nach dem Ausbruch versteckt er sich, traut sich nicht vor die Tür. Noch weiß er nicht viel über das Leben der Menschen, also hängt er nonstop im Internet, um sich fortzubilden. Schnell stellt er fest, dass das Tragen von Masken im Hip Hop gang und gäbe ist – und wittert seine Chance: Als Rapper könnte er vielleicht ein halbwegs normales Leben führen. Also studiert er das Genre, und schon bald steht fest: Er will der erste rappende Cyborg werden. Und dann Talkmaster. Und dann Bundeskanzlerin.

Er und sein HACK PACK hauen die TELEFONTERROR LP ins Internet, die man mit sehr weit geöffneten Scheuklappen als "Hip Hop“ bezeichnen könnte. Er lebt einen völlig neuen Angeber-Style: Im ersten Video zu SPIEL MIR DAS LIED VOM KOT demonstriert er seine Überlegenheit, indem er das gesamte Alphabet scheißt. Dann kommt das zweite Video raus, macht GANZ WAS ANDERES und Tapete Records meldet sich. Womit keiner gerechnet hat: Sogar Hip-Hop-Blogs berichten darüber.

Der nächste Streich, 404s UND HACKSTEAKS erscheint bereits als Tapete-Release – auf Kassette. Im zweiten Semester seines Internetstudiums hackt sich der Herr Stubenhacker durch deutsches Liedgut von Blumfeld über Tokio Hotel bis hin zu den Goldenen Zitronen, überführt all das in seine Form von Trap Pop, mogelt neue Textzeilen in die Songs hinein oder schreibt einfach komplett neue. Auch in das ein oder andere Video hackt er sich. Die Orsons, Deichkind, Fatoni und Fettes Brot können ein Lied davon singen und danken es mit PR-Schützenhilfe.

 

Und jetzt?

 

Soweit läuft also alles nach Plan. Stubenhacker hat die Menschheit eine Weile beobachtet und zieht seine erste Bilanz: Nach den beiden Gratisveröffentlichungen erscheint das Debüt auf Vinyl bei Tapete Records. Aber ist das nicht ein Indiepop-Gitarrenlabel? Kann sein. Warum das trotzdem zusammenpasst, merkt man schon beim ersten Track, spätestens beim letzten. Vom Hip Hop hat er die große Fresse, die Reime und ein paar Beats mitgenommen, der Rest ist Pop Art, dick aufgetragen und urban produziert vom Zeitreisenden Routing von Sends und Suder. In welche Schublade soll man Stubenhacker also stecken? Im lupenreinen Rap Game wird er sowieso niemals mitspielen dürfen. Will er allerdings auch gar nicht, ist deutscher Hip Hop laut Stubi doch der Ort, wo...                                                    

… all die ermüdenden Alpharüden
Mätzchen machen und Männchen machen üben
wären sie wahr, dann müsste ich lügen
wären wir ein Paar, ich würd sie betrügen
wären sie Gefühle, ich würd sie verletzen
(aus: "Kronen abgeben")

Und so mäandert er sich durch die Beats, wundert sich über die Menschheit und schimpft auf deutschen Soul, auf den weißen Mann, fordert dazu auf, all das Geld wegzuwerfen und ist für immer wach. Stets an seiner Seite sind dabei die Mumie Jim Pressing, der nicht nur als Dada-Rapper auf dem Track „Was anderes“ brilliert, sondern auch Bobby Maniac, ein singender Alien vom Planeten Disco, der den "Typ mit den Telefonen im Gesicht" bei diversen Hooklines unterstützt.

Mit seiner Menschenforschung ist Stubenhacker bei allem Erkenntnisgewinn immer noch nicht ganz fertig. Das Fernziel: Rettung der menschlichen Rasse, die ohne sein Eingreifen dem Untergang geweiht ist.
Der nächste Schritt nach der Musikkarriere ist also das Fernsehen, und er arbeitet bereits daran.
Und dann? Er kann ja alles – vielleicht wird ausgerechnet Deutschland das erste Land, dass von einer K.I. regiert wird. Vielleicht gar keine schlechte Idee – solange sie nicht von Nazis gehackt wird...

Jim P.: Warum rettest du Menschheit vor dem Untergang?
Stubi: Wenn ich’s nicht mach, wer macht es dann?
(aus: „Ich kann alles“)

 

Wer steckt dahinter?

Es wundert mich doch sehr, dass noch keine Werbeagentur für ihre Mobilfunk- oder Smartphone-Klienten und noch kein Pixar-Designer auf die naheliegende Idee gekommen ist, einen Character mit einem Gesicht aus drei Smartphones zu entwerfen. Mir kam sofort in den Kopf, als ich das erste Mal ein Video auf einem iPhone sah: Ich will drei davon, und dann baue ich mir eine Maske."

Das erzählt Sebastian Stuertz, wenn man ihn fragt, wie er denn bloß auf diesen Stubenhacker gekommen sei. Der Hamburger Motion Designer ist der künstlerische Leiter des Projekts, dessen visuelle Komponente für ihn mindestens genau so wichtig ist wie die Musik. Er schraubt schon seit seinem 13. Lebensjahr an Musikmaschinen herum, erst am C64, mit 14 kauft er sich vom Konfirmationsgeld ein 4-Spurgerät, spielt Gitarre und macht den Frontmann in immer leicht neben der Spur laufenden Hardcore-, Ska- und Punkrockbands. Sein Soloprojekt SUFF O'CATE flirtet jedoch schon immer mit Pop, Akustikgitarren und – spätestens seit Portishead – mit Sampling und Elektronik. Nach zahllosen selbst verlegten Tapes, 7-Inches, CDs und Compilationbeiträgen bringt das norddeutsche Label Plattenmeister 2001 sein Elektroprojekt VOLTMOLL heraus. Das Zeichentrickvideo erstellt er selbst, es läuft sogar auf VIVA. Andreas Dorau ruft an und fragt, ob er ihm auch ein Zeichentrickvideo machen kann, für den Trimmy Track mit Justus Köhnke. Aus Zeitgründen muss Sebastian leider absagen. 15 Jahre später telefonieren sie noch ein Mal, diesmal als Labelmates. Stubenhacker möchte Andreas für eine gemeinsame Neuauflage von „Das Telefon sagt Du“ gewinnen. Diesmal kassiert er die Absage, obwohl Andreas das Video mit der Kacke echt gut findet. Er würde lieber neue Musik zusammen machen.

Ab 2005 spielt er mit seiner 4-köpfigen Band STUERTZ deutschen Indie-Gitarrenpop, der irgendwann auch das Interesse von L'age D’or weckt. Leider zu spät – 2007 meldet das Label Insolvenz an. Das STUERTZ-Debüt erscheint schließlich auf dem Bremer Label SOPOT. Im gleichen Jahr kommt das erste iPhone in die Läden, und die Idee von der Maske geht Sebastian nicht mehr aus dem Kopf. Als er beginnt, mit Melodyne zu experimentieren, einem Stimmeffekt, den man ähnlich wie Autotune missbrauchen kann, ist plötzlich alles klar: Das gehört zusammen. Die Figur Stubenhacker ist – zumindest als Idee – geboren.

Erst taucht er nur als Sidekick in einigen von Sebastians neuen, elektronisch produzierten STUERTZ-Tracks auf, doch die Möglichkeit, Texte aus einer völlig anderen Perspektive schreiben zu können, hat etwas derart befreiendes, dass sich der Nebendarsteller immer mehr in den Vordergrund drängt, bis Sebastian beschließt, ihm seine eigene Show zu geben. Irgendwann hat er dann auch die Telefone für die Maske zusammen. Als Mund dient zunächst noch ein iPod touch, für die Augen müssen zwei Nokias herhalten, aber das macht die Sache eigentlich nur noch besser.

Und bis heute ist zum Glück noch immer kein Werber auf diese eigentlich doch so naheliegende Idee gekommen:

Ich habe die letzten Jahre – insbesondere vor dem ersten Video – quasi ständig mit der Angst gelebt, dass z.B. SATURN eine kurvenreiche Frau im enganliegenden Raumfahreranzug und drei Telefonen im Gesicht als Testimonial ins Rennen schickt, und mir danach jeder sagt: 'Ach lustig dein Projekt, wie in dieser SATURN-Kampagne.‘", sagt Sebastian. Als Lady Gaga in ihrem PokerFace-Video kurz eine Brille mit kleinen Screens trägt, ist ihm allerdings schon das Herz in die Hose gerutscht. Zum Glück dauert die Sequenz nur 5 Sekunden und es sind keine Augen auf den Bildschirmen. Es erinnert sich keiner mehr daran, als der Stubenhacker endlich fertig gebaut ist. Heute, 10 Musikvideos später, ist er ganz entspannt: "Ich muss keine Angst mehr haben, ich kann warten, bis Apple anruft und den Stubenhacker für die nächste iPhone-Kampagne will."

Videos

Stubenhacker feat. Jim Pressing und Bobby Maniac: Deutscher Soul (produced by Routing von Sends)
Stubenhacker & Jim Pressing: Vorderteile (Vorurteile Teil 6 - Fatoni & Juse Ju Hack )
Jim Pressing & Stubenhacker - Was Anderes (prod. by Routing von Sends)
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