Geschmeido
Auf Wiedersehen (VÖ 02.02.2007)
Wie nie zuvor passt der Bandname zur Musik der Gruppe. Die vier bewegen sich auf ihrem neuen, dritten Album mit kühler Geschmeidigkeit und in großen Gesten durch ihren Kosmos. Alles ist souverän, scharfsinnig und frei.
Sie singen: „Du kommst wieder, denn du warst nie da, nur eine Nacht im Schein Deiner Liebe“ - Das trifft und trifft zu, denn genau dieser romantische Zynismus fehlte uns und war hierzulande schon immer so wertvoll wie rar. Deshalb hinterließen Geschmeido während ihrer sechsjährigen Abwesenheit auch bei so manchem Fan ein empfindliches Vakuum. Das verlangte nach Mehr von ihren eleganten zeitlosen Gitarrenpopsongs über „S-Bahn-Sitzaufschlitzer“ (vom ersten Album „zwischen den Mahlzeiten“).
Jetzt kommt endlich ein neues Album. Und das klingt so, als hätten Geschmeido während ihrer Abstinenz sechs Platten im Ausland veröffentlicht. Geschmackssicher schaltet sich die Band durch die weiße Soul-Pop-Geschichte der späten 70er und frühen Achtziger Jahre. Hier klingt nichts nach Garage. Wie beim Vorgänger ‚Same Same’ (2000) hat die Band selbst produziert und im eigenen Studio in Berlin aufgenommen, für den Mixdown wurden die Studiogranden Peter Schmidt und Tobias Levin engagiert.
Es gehören schon Mut und Können dazu, sich so in bester Tradition von Prefab Sprout, Al Stewart oder 10 CC zu positionieren. Geschmeido tun es einfach und machen sich damit unangreifbar; sie gehen Risiken ein und sie gewinnen. Auf einigen Stücken driftet die Band munter ab in ihre ureigene Mystik, die teilweise psychedelisch schwebt (Im schweren Seegang), an anderer Stelle wieder fordernd pumpt, wie etwa auf „Auf Wiedersehen“, das mit seinen rhythmischen Chören an die Lebensfreude mancher Talking Heads –Stücke erinnert.
So viel Experimentierfreude sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Geschmeido in der Lage sind, im Handumdrehen rockige 3-Minüter abzuwerfen. Und noch eine wichtige Errungenschaft aus ihrer früheren Indierock-Vergangenheit haben Geschmeido über die sechs Jahre herübergerettet: humorvolle Abgeklärtheit. Das gilt für die Musik wie für die deutschen Texte. Nie wird es in den Songs klebrig und eng. Ein räumlicher Abstand zu den feuchten großen Gefühlen bleibt immer gewahrt. Die hierzulande gerne gepflegten Sekundär-Tugenden aus Harmlosigkeit, Niedlichkeit und Kumpelei müssen bei Geschmeido draußen bleiben. So wird etwa das Thema ‚Flucht’ in einem treibenden ‚The Clash’ -artigen urbanen Shuffle besungen, ohne auch nur ansatzweise nach dem Happy End Ausschau zu halten.
Es gibt kein bierseliges Aufgehen im großen Ganzen, kein Pathos der Mittelmäßigkeit. Die Musik dieser Band richtet sich an den Einzelnen und gibt ihm die Gelegenheit, sich allein und aus sich selbst heraus toll zu finden. Der schon totgeglaubte Mythos des westdeutschen Popvisionärs steigt in Ostberlin aus seinem halboffenen Grabe – Geschmeido zeigen, dass Erwachsensein auch bedeuten kann, zu leben, zu lieben und groß und gut zu werden.
- Knut Stenert (Samba)