Mehr ist Mehr (1996 bis 2012)

Als sich Superpunk im Jahr 2012 nach fünf Studioalben, mehr als 1000 Konzerten und unzähligen lustigen Schnacks und Schoten auf den Weg in die ewigen Jagdgründe des Rock’n Roll machten, hinterließen sie der Welt die heilige Dreifaltigkeit einer durstigen Gaststättencombo: 

„Schrei-schrei, schepper-schepper, schergel-schergel!“

Die fünf Tresenfliegen, die sich Mitte der Neunziger in einer schummerigen Kaschemme auf St. Pauli zusammengefunden hatten, waren stets die Sitzenbleiber in der Hamburger Sonderschule. Die ursprüngliche Idee, sich „Hamburg Spinners“ zu nennen, hätte vermutlich besser zu ihnen gepasst, am Ende aber war Superpunk das griffigere Pseudonym.  

Nachdem die „Top Old Boys“ also endgültig abgetreten waren, wanderte ein Mitschnitt ihres letzten Club-Konzerts im Hamburger „Knust“ ins Archiv von Tapete Records. In den Augen vieler war das auch ganz gut so. Sechs Jahre später aber stieß Tapete-Boss Gunther Buskies (wie der „Bus“ und wie der „Kies“) auf die angestaubten Aufnahmen, als er mal wieder nach einer langen Astra-Nacht auf dem Teppich des Lagers erwachte. Um den Kopf freizukriegen, legte er das Tonband mit den verschollenen Aufnahmen ein – und war sofort elektrisiert. „Wie ein herzhafter Käse, ein gehaltvoller Rotwein, je länger, desto reifer“, dachte der umtriebige Connaisseur, „so schlecht waren die fünf Rumpelbrüder damals ja gar nicht!“ 

Das „Knust“-Konzert erschien ihm auf einmal wie der positive gereifte Extrakt der 16 Jahre währenden Laufbahn der ranzigen Ex-Punks. Was da aus den Boxen schallte, war eine mit der Tür ins Haus fallende Werkschau, der deutlich anzuhören war, dass im Superpunk-Bandbus oft die Live-Platten von Jerry Lee Lewis „Live im Star-Club“ und der Four Tops „Live 1973“ gelaufen waren. 

Und weil das Abschiedskonzert ein so herrlich bolleriger Parforceritt durchs Gesamtwerk war, holte er gleich die alten Scheiben aus dem Schrank: „A bisserl was geht immer“ (1999), dieses anarchisch-blaue Frühwerk der „Top Old Boys“. Den schepperndern Hit-Klassiker „Wasser marsch!“ (2001). Das pikfein-mondäne „Einmal Superpunk, bitte!“ (2004). „Why not!“ (2008), dieses gut abgehangene Monument einer Band, die für einen Augenblick glaubt, alles erreichen zu können. Und schließlich das coole Vermächtnis „Die Seele des Menschen unter Superpunk“ (2010). 

Als Buskies sich damit seine sämigen Gehirnwindungen tüchtig freigepustet hatte, dachte sich das alte Cleverle: „Ist das alles? Gibt’s da nicht noch mehr?“ Er griff zum Telefonhörer, rief die in aller Welt verstreuten Top Old Boys“ auf ihren Landsitzen und in ihren Verschlägen an, lamentierte und „guntherte“, wie es so seine Art ist, und scheuchte die Herren in die Keller und auf die Dachböden, wo er die Kisten mit den alten Tapes vermutete.

Dort fand sich einiges an musikalischem Treibgut wieder: 

-      kreischige Übungsraummitschnitte der Urbesetzung, lange bevor Superpunk ein Studio betreten sollten, u.a. mit Jan „Feita“ Müller (Tocotronic) an der Bassgitarre;

-      fluffige Layouts, die später in ganz anderer Version ihren Weg auf die Studioalben fanden;

-      alternative Mixe, auf denen plötzlich Trompeten und Chöre erklingen, die sich in der Rückschau keiner der Beteiligten mehr erklären kann;

-      und last but not least die zahlreichen Coversongs und Outtakes, die auf den längst vergriffenen Vinylsingles der Band erschienen waren.

Buskies hatte, was er wollte: Genug Material, um endgültig den Deckel auf die Geschichte von Superpunk zu machen. Auf diese Story einer Band, die alles, was große Bands auszeichnet, im Klitzekleinen gelebt und erfahren hatte: die Studio-, Live-, Best-of und Tributealben veröffentlichte, massenweise Konzerte spielte, von der winzigsten Gaststätte bis auf die großen Festivalbühnen. Die sogar eine eigene DVD-Doku drehte, zahlreiche TV-Auftritte absolvierte und Zeitschriftencover zierte. Und trotz allem stets das Privileg für sich veranschlagte, niemals vom Musikmachen leben zu müssen. 

Was fehlte noch, um 16 Jahre Superpunk-Geschichte abzurunden? Ein streng limitiertes Boxset, mit allem, was unsere wurstigen „Top Old Boys“ doch irgendwie liebenswert machte: den fünf remasterten Studio-LP/CDs, einem umfassenden Booklet über die Geschichte der Band, einer prallen „Raritäten“-Sammlung und der rasanten Live-LP/CD „Nicht böse geboren – Live im Knust 2012“, dem einzigartigen Dokument einer rauschenden Abschiedsfeier, ganz nach dem Gusto der fünf Musiker. Kurz: Der puren Essenz dessen, was sie so perfekt beherrschten, wie keine andere Band, dem „Dynamic Sound of Superpunk: 

„Schrei-schrei, schepper-schepper, schergel-schergel!“

Wir wünschen gute Unterhaltung!

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