The Wirtschaftswunder

The Wirtschaftswunder (Release: 28 July 2023)

The Wirtschaftswunder are European post-punk history. Formed in Limburg in 1980, the multinational band consisted of Czech-born guitarist Tom Dokoupil, Canadian keyboardist Mark Pfurtscheller, German drummer Jürgen Beuth (also in Die Radierer) and Italian singer Angelo Galizia.

After their DIY Milestone "Salmobray", the band was signed to Polydor. Contrary to the aims of the record company, who planned to make a huge NDW act out of the band, the new (and more expensive) ways of record production just showed how special this band really was. A financial flop and artistically one of the strangest and most wonderful major debuts of all times
 

The eponymous title of the sophomore album by “The Wirtschaftswunder” sounds as if it should have been their debut disc. Nevertheless, the name is a good fit, this being the record which sees the band come to terms with their own distinctive sound, one which is completely different to the sum of their parts, as was the case on its predecessor “Salmobray”. Here, they have morphed into a funk band, albeit one without any intention of playing funk.

This record was also their first on a major label, although Polydor do not appear to have weighed in on the creative process. The LP spawned just the one single - “Der große Mafioso” – and zero NDW* hits. Whereas other label acts such as Hubert Kah or Fräulein Menke were busy crafting chart material with a New German Wave flavour, The Wirtschaftswunder (possibly aware of their stablemates’ efforts) appeared unencumbered by the pressure to deliver conventional success.

The major label influence was at least evident in the departure from the dim haziness of contemporary DIY studios for a production of dazzling sharpness. Cast in this light, The Wirtschaftswunder sound even stranger than in the more familiar environs of their insouciant debut. This might very well be the German music industry’s boldest record ever, Ernste Musik (serious music) aside.

Released in early 1982, with few words offered to contextualise matters, the record felt like a statement, an artistic representation of pop music laced with a range of alienating effects which lent it a remarkable precision. Perspective, expressiveness – these are concepts that sit well with “The Wirtschaftswunder”.

The characteristic style, the air and, above all, the “sonic mission” are reminiscent of the Junge Wilden - the Young Wild Ones - or, to be more exact, the Mühlheimer Freiheit group of artists associated with them. Indeed, Tom Dokoupil is Jiří Georg Dokoupil’s brother and recorded an album with Walter Dahn under the name of Die Partei in 1981.

Unlike their Berlin compatriots, the young and wild ones of the Mühlheimer Freiheit did not under-stand “the wild” to be something original or primal that had to be recovered, but more a product of civilisation: a cultural-historical legacy that need not be taken as read, but the effects of which could be tapped into or utilised. A good example hereof is Wirtschaftswunder vocalist Angelo Galizia’s Gastarbeiter/immigrant (self-) portrayal - clichéd and unpredictable in equal measure. At times, his lyrics sound like language courses spiralling out of control, as on “Erste Hilfe”.

The Young Wild Ones’ art stemmed from an obsession with pop music. Their pictures often related to the subject like pop songs. The Wirtschaftswunder both followed and mirrored the same principle. Their music imitated fine art imitating pop music. The performance-like tension in the band’s physical presence has been preserved on YouTube live clips. With a grand piano, Mark Pfurtscheller slips into the role of an abstract expressionist in front of the canvas, an intriguing contrast to his focused and restrained playing style.

The very first Wirtschaftswunder recordings were new wave renditions, admittedly rough at the edges. They appeared on the “Non Dom-Sampler”, a sort of group exhibition for the Limburg Scene which also presented the initial efforts of the Radierer (Wirtschaftswunder drummer Jürgen Beuth’s other band, working in similar fashion with the medium of the comic) and Siluetes 61 (Tom Dokoupil’s solo project, in which he concerns himself with the genre of collage).

Between 1979 and 1983, the idea that pop music can be fine art and vice versa was a revolutionary one (with David Thomas of Pere Ubu as the Che Guevara poster boy). The  border crossings which ensued had little to do with the “Break on through” rallying cry of the Woodstock generation. The fabled “other side” had long since disappeared beyond the border. If anything, a new territory was emerging, one with different rules and laws which would be explored on “The Wirtschaftswunder” – today, the record still sounds more effective in dislocating and dissolving boundaries than anything that esoteric literature or LSD has to offer.

Frank Apunkt Schneider


*NDW = Neue Deutsche Welle = New German Wave

Deutscher Pressetext

The Wirtschaftswunder sind europäische Post-Punk-Geschichte. Gegründet 1980 in Limburg, bestand die Band aus dem in Tschechien geborenen Tom Dokoupil, dem kanadischen Keyboarder Mark Pfurtscheller, dem deutschen Schlagzeuger Jürgen Beuth (den wir auch von "Die Radierer" kennen) und dem italienischen Sänger Angelo Galizia.

Nach ihrem DIY-Meilenstein "Salmobray", wurde die Band von der Polydor unter Vertrag genommen. Das erfolgsverwöhnte Label plante aus The Wirtschaftswunder einen weiteren, erfolgreichen NDW-Act zu machen. Doch die neuen und präziseren Aufnahmemöglichkeiten förderten lediglich zu Tage, was die Essenz dieser Band war. Ja, das selbstbetitelte Album wurde ein finanzieller Flop, jedoch künstlerisch ein immenser Erfolg. Eine der merkwürdigsten und zugleich wunderbarsten Major Debüts aller Zeiten.


„The Wirtschaftswunder“ ist bereits die zweite LP, heißt aber wie ein Debüt, was wohl bedeuten soll, dass The Wirtschaftswunder endlich bei sich selbst angekommen sind. Sie haben einen Gruppensound entwickelt, der etwas vollkommen anderes ist als bloß die Summe seiner Teile (wie noch auf dem Debüt „Salmobray“). The Wirtschaftswunder sind eine Funkband geworden, die allerdings keine Anstalten machen, Funk zu spielen.

Die Platte war ihr Majorlabel-Debüt und ist bei der Polydor erschienen, die ihnen keine Vorgaben gemacht zu haben scheint. Potentielle NDW-Hits enthielt sie nicht und sie warf auch nur eine Single ab: „Der große Mafioso“. Vom berühmten Erfolgsdruck blieben The Wirtschaftswunder wohl unbehelligt, vielleicht weil sich andere Label-Acts wie Hubert Kah und Frl. Menke bereits um neugewelltes Hitparadenmaterial kümmerten.

Die Schummrigkeit und Verschwommenheit, die zeitgenössiche Do-It-Yourself-Produktionen auszeichnete, war dank Majorlabelproduktion einer grellen Überschärfe gewichen. In ihrem Licht wirkt „The Wirtschaftswunder“ noch seltsamer als das noch in einem landläufigen Sinne originelle und verspielte Debüt. Sie ist wohl die verwegenste Platte, die sich die deutsche Plattenindustrie abseits von Ernster Musik je erlaubt hat.

Veröffentlicht wurde sie Anfang 1982 gewissermaßen kommentarlos und wirkte vielleicht gerade deswegen wie ein Statement. Sie war eine künstlerische Darstellung von Popmusik, der diverse Verfremdungseffekte eine merkwürdige Präzision verliehen. Und am besten lässt sich „The Wirtschaftswunder“ wohl mit Begriffen wie Perspektive und Ausdrucksstärke beschreiben. Gestus, Duktus und vor allem der „Soundauftrag“ erinnern an die Malerei der Jungen Wilden, genauer: an jenen Teil der Bewegung, der sich in der Künstlergruppe Mühlheimer Freiheit zusammengeschlossen hatte, und das nicht nur weil Tom Dokoupil der Bruder von Jiří Georg Dokoupil ist und 1981 gemeinsam mit Walter Dahn eine Platte unter dem Namen Die Partei aufgenommen hat.

Anders als für die Berliner Variante der Jungen Wilden war für die Mitglieder der Mühlheimer Freiheit das „Wilde“ nichts Ursprüngliches, das wieder freigelegt werden musste, sondern selbst nur Zivilisationsprodukt: eine kulturhistorisch überlieferte Vorstellung, der nicht auf den Leim gegangen werden sollte, deren Effekte aber angezapft und genutzt werden konnten. Was das heißt, lässt sich exemplarisch an der Gastarbeiter-(Selbst-)Darstellung des Wirtschaftswunder-Sängers Angelo Galizia zeigen, die stets zu gleichen Teilen Klischee und unberechenbar ist. Seine Texte wirken manchmal wie außer Kontrolle geratene Sprachkurse (vgl. „Erste Hilfe“)

Die Kunst der Jungen Wilden ist aus der obsessiven Beschäftigung mit Popmusik entstanden. Ihre Bilder verhalten sich zu ihrem Gegenstand häufig wie Popsongs. Dieses Prinzip wird von The Wirtschaftswunder zurückübertragen. Ihre Musik imitiert bildende Kunst, die Popmusik imitiert. Das schlägt sich dann auch in einer perfomanceartigen Bandkörper-Spannung nieder, wie die bei YouTube konservierten Auftritte zeigen. Mark Pfurtscheller schlüpft dabei am Konzertflügel gerne in die Rolle des Abstrakten Expressionisten vor der Leinwand, was einen interessanten Kontrast zu seinem konzentriert-reduzierten Spiel bildet.

Bereits die allerersten Wirtschaftswunder-Aufnahmen waren (wenn auch noch etwas grobschlächtige) Darstellungen von New-Wave-Musik. Erschienen sind sie auf dem „Non Dom-Sampler“, einer Art Gruppenausstellung der Limburger Szene, die zusätzlich noch erste Arbeiten der Radierer (die Zweitband des Wirtschaftswunder-Drummers Jürgen Beuth, die auf vergleichbare Weise mit Mitteln des Comics arbeitete) und von Siluetes 61 (Tom Dokoupils Soloprojekt, das sich mit dem Prinzip der Collage beschäftigt) zeigte.

Dass Popmusik bildende Kunst und bildende Kunst Popmusik sein kann, war zwischen 1979 und 1983 eine revolutionäre Idee (mit David Thomas von Pere Ubu als Che-Guevara-Poster). Die Grenzüberschreitungen, die sie nach sich zog, hatten nur noch wenig mit dem Break-On-Through gemein, das sich die Woodstock-Generation auf die Fahne geschrieben hatte. Jenseits der Grenze lag längst nicht mehr die berühmte „Other side“. Hier begann lediglich ein neues Territorium, das anderen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgte, die dann auf „The Wirtschaftswunder“ erkundet wurden, wodurch die Platte noch heute viel entgrenzender klingt als alles, was esoterische Literatur und LSD zu bieten haben.

 

Frank Apunkt Schneider

Discography

album
The Wirtschaftswunder
Reissue
Salmobray
The Wirtschaftswunder
SinglesRaritäten
Preziosen & Profanes
The Wirtschaftswunder

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