Mobylettes

Immer schlimmer (VÖ 25.03.201)

Selbst Optimisten müssen zugeben, dass schöne Überraschungen rar gesät sind (ich kenne einen Optimisten, ich habe ihn gefragt und er gab es zu!). Eine solche seltene schöne Überraschung war die im Spätherbst 2010 via Tapete Records über den Ticker kommende Ankündigung, die Mobylettes würden nach über einer Dekade Schaffenspause ein neues Album veröffentlichen!

Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Meldung wären angebracht gewesen. In der glitzernden Medienwelt im Allgemeinen und in der Musikindustrie im Besonderen machen die Leute ja gerne mal „den Dicken“. Da ich aber den honorigen Hamburg-Bahrenfeldern jederzeit ungesehen den sprichwörtlichen Gebrauchtwagen abkaufen würde: Keine Spur von Skepsis. Stattdessen: Vorfreude. Nun ist die Enttäuschung die kleine Schwester der Vorfreude. Aber nicht diesmal. „Immer Schlimmer“, so der Titel des Albums, übertrifft alle Erwartungen. 

Für die später Dazugekommenen: Die Mobylettes waren ab Anfang der 90er eine beliebte und immer beliebter werdende All-Girl-60’s-Band, welche ihren Bewunderern unvergessliche Auftritte zwischen Pudel und CCH Foyer (im großen Saal zog danach Screaming LordSutch seine Sargnummer ab. War auch super.) bescherten. Es erschienen drei Alben, unter anderem eines mit fantastischen George-Gershwin-Interpretationen und dann… sehr lange nichts. Bis jetzt. Fast scheint es, die Mobylettes hätten die Jahre genutzt, um ihren Stil immer und immer mehr zu verfeinern, als hätten sie ihren Stil frisiert wie ein Vorstadt Blouson Noir das namensgebende Velo. 

Nach wie vor ist, man gestatte das unschöne Wort, die Kernkompetenz der Mobylettes die amerikanische Popularmusik der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Um genau zu sein: die Popularmusik vor der British Invasion. Man meint, die 13 Songs auf „Immer Schlimmer“ wären den Mobylettes von Burt Bacharach, Carole King oder von einem der anderen Autoren im New Yorker Brill Building auf den Leib geschrieben worden. Oder waren es Holland-Dozier-Holland aus Detroit? Hatte am Ende Phil Spector seine Finger im Stil? Oder die zu Unrecht vergessenen Autoren zeitloser Northern-Soul-Klassiker? Weit gefehlt: jeder Song ein Mobylettes- Original. Originale von Originalen sozusagen.

Nicht unterschlagen möchte ich an dieser Stelle die brillanten Texte: Als hätten Hildegard Knef und Serge Gainsbourg die genialen Köpfe zusammen gesteckt. Stellt sich für mich die Frage: Warum beziehen sich eigentlich nicht mehr Bands auf die Ronettes oder auf die Supremes? Sondern viel zu oft auf die immer gleiche reaktionäre Rockmusik? Mögliche Antwort: Weil es schwierig ist. Weil es nicht jeder kann. Weil es cool ist. Und cool zu sein ist das Schwierigste überhaupt. Nach dem Genuss dieses Albums werden Sie mir zustimmen: Man braucht nicht viel zum Glücklichsein. Eine Zigarette, ein kaltes Getränk und „Immer schlimmer“ reichen aus.

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